Mitleid

Aus Familienwortschatz
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Mitleid ist die gefühlte Anteilnahme am (meistens als seelischer) Schmerz und Leid anderer Personen.

Bedeutungen

Mitleid ist die gefühlte Anteilnahme an Schmerz und Leid anderer.

Das Gefühl des Mitleids (-ens) kann verschiedene Ausprägungen haben bzw. verschieden stark empfunden werden (dafür die Ausdrücke: Ergriffenheit, heute eher selten; Betroffenheit).

Unterschiede zur Sympathie und Empathie

Empathie, ein moderner Fachterminus (Kunstwort), wird als Rückübersetzung von deutsch „Hineinfühlen“, „Einfühlung“[1] benutzt, um einen anderen Menschen möglichst umfassend zu erfassen, dessen Gefühle zu verstehen, ohne diese auch zu teilen.

Sympathie bezeichnet die Fähigkeit/Reaktion eines Menschen, einen anderen Menschen möglichst ganzheitlich zu erfassen, dessen Gefühle zu teilen, ohne sich zuvor über Gründe für dieses Verstehen und evtl. Handeln klar zu werden.

Geschichte des Begriffs Mitleid

Mitleid in Antike und Christentum

Das Mitleid, seine Funktion und die Frage, was genau unter Mitleid zu verstehen sei, wurde in den verschiedensten Kontexten, etwa der Literaturtheorie oder Ethik, seit der Antike immer wieder diskutiert. Mitleid erscheint als Gegenstand der Literatur bereits in der „Ilias" von Homer, wenn Achill von seinem Zorn lässt und dem Priamos auf dessen Bitte den Leichnam seines Sohnes Hektor übergibt. Es gilt in den meisten Philosophien und Religionen als positive Eigenschaft oder Tugend. Aristoteles, welcher den ersten Versuch unternahm, das Mitleid zu definieren, bestimmte es wie folgt:

Mitleid sei definiert als eine Art Schmerz über ein anscheinend leidbringendes Übel, das jemanden trifft, der es nicht verdient, ein Übel, das erwartungsgemäß auch uns selbst oder einen der Unsrigen treffen könnte [...] Denn es ist klar, dass derjenige, der Mitleid empfinden soll, gerade in einer solchen Verfassung sein muss, dass er glaube, er selbst oder einer der Seinen würde ein Übel erleiden [...]. Ferner haben wir Mitleid mit denen, die uns bezüglich Alter, Charakter, Gewohnheiten, sozialer Stellung und Herkunft ähnlich sind [...].|
(Aristoteles, Rhetorik 1385b)

Zentrale Voraussetzung, um Mitleid zu empfinden, ist nach Aristoteles also eine zumindest partielle Identifikation mit demjenigen, mit dem man Mitleid empfindet.

Im Christentum ist Mitleid die Voraussetzung für die Tugend Barmherzigkeit]] (Misericordia) und damit ein wesentlicher Bestandteil tätiger Nächstenliebe (Caritas).

18. Jahrhundert und Lessing

In der Gefühlsethik des 18. Jahrhunderts wurde das Mitleid zum zentralen sozialen Gefühl und einem wichtigen Begriff der Moral. Insbesondere Gotthold Ephraim Lessing, einer der wichtigsten und wirkungsmächtigsten Theoretiker des Mitleids, charakterisierte das Mitleid als die positive menschliche Eigenschaft schlechthin. Zunächst bestimmte er es als das wichtigste Gefühl, welches ein Autor von Trauerspielen (Tragödien) beim Publikum bewirken solle, vertrat aber auch darüber hinaus die Auffassung, dass derjenige, welcher Mitleid empfindet, auch in moralischer Hinsicht „der beste Mensch“ sei:

Zitat

Wenn es also wahr ist, daß die ganze Kunst des tragischen Dichtens auf die sichere Erregung und Dauer des einigen Mitleidens geht, so sage ich nunmehr, die Fähigkeit der Tragödie ist diese: sie soll unsere Fähigkeit, Mitleid zu fühlen, erweitern. Sie soll uns nicht blos lehren, gegen diesen oder jenen Unglücklichen Mitleid zu fühlen, sondern sie soll uns so weit fühlbar machen, daß uns der Unglückliche zu allen Zeiten, und unter allen Gestalten, rühren und für sich einnehmen muß. Und nun berufe ich mich auf einen Satz, den Ihnen Herr Moses vorläufig demonstriren mag, wenn Sie, Ihrem eignen Gefühl zum Trotz, daran zweifeln wollen. Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch, zu allen gesellschaftlichen Tugenden, zu allen Arten der Großmut der aufgelegteste. Wer uns also mitleidig macht, macht uns besser und tugendhafter, und das Trauerspiel, das jenes thut, thut auch dieses, oder – es thut jenes, um dieses thun zu können.|Lessing, Briefwechsel über das Trauerspiel (Brief an Friedrich Nicolai, November 1756)[2]

Arthur Schopenhauer vertrat ebenfalls eine Mitleidsethik, in der das Gefühl des Mitleids in ähnlicher Weise im Mittelpunkt stand.

Nietzsches Kritik am Mitleid

Friedrich Nietzsche stand dem Mitleid ablehnend gegenüber. Er nannte es ein „Bedürfnis der Unglücklichen“, welche mit dem „Zur-Schau-Tragen“ ihres Leides letztlich nur die eigene Macht über den Mitleidenden zum Ausdruck bringen würden. Mitleid sei gewissermaßen das Gefühl, trotz der eigenen Schwäche immer noch stärker als andere, noch Schwächere, zu sein und prinzipiell die Möglichkeit zu haben, ihnen „wehe zu tun“:

Zitat

   „Vielmehr beobachte man Kinder, welche weinen und Schreien, damit sie bemitleidet werden, und deshalb den Augenblick abwarten, wo ihr Zustand in die Augen fallen kann; man lebe im Verkehr mit Kranken und Geistig-Gedrückten und frage sich, ob nicht das beredte Klagen und Wimmern, das Zur-Schau-tragen des Unglücks im Grunde das Ziel verfolgt, den Anwesenden weh zu tun: das Mitleiden, welches Jene dann äußern, ist insofern eine Tröstung für die Schwachen und Leidenden, als sie daran erkennen, doch wenigstens noch Eine Macht zu haben, trotz aller ihrer Schwäche: die Macht, wehe zu tun. Der Unglückliche gewinnt eine Art von Lust in diesem Gefühl der Überlegenheit, welches das Bezeugen des Mitleides ihm zum Bewusstsein bringt; seine Einbildung erhebt sich, er ist immer noch wichtig genug, um der Welt Schmerzen zu machen. Somit ist der Durst nach Mitleid ein Durst nach Selbstgenuss, und zwar auf Unkosten der Mitmenschen; es zeigt den Menschen in der ganzen Rücksichtslosigkeit seines eigensten lieben Selbst [...]“
   – Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches I, II, Nr.50[3]


20. Jahrhundert

Max Scheler unterscheidet zwei Arten von Mitleid: das echte Mitleid und die reine Gefühlsansteckung.

Käte Hamburger vertrat in ihrem 1985 erschienenen Buch Das Mitleid die Position, dass das Mitleid ein ethisch neutrales Gefühl wäre.

Im Buddhismus ist Mitleid das zentrale Motiv, das Bodhisattvas auf die eigene Erleuchtung verzichten lässt, um Menschen auf dem Weg zu dieser zu verhelfen.

Literatur

  • Käte Hamburger: Das Mitleid, Klett-Cotta, Stuttgart 2001, ISBN 3608913920
  • Henning Ritter: Nahes und fernes Unglück. Versuch über das Mitleid, C.H.Beck Verlag, München 2004, ISBN 978-3-406-52186-7
  • Irmela von der Lühe, Nina Gülcher: Ethik und Ästhetik des Mitleids, Rombach Verlag, Freiburg i.B./Berlin/Wien 2007, ISBN 978-3-7930-9460-9
  • Lichtenberg, J., Bornstein, M. und Silver, D.: Empathy. 3 Bde. Hillsdale, N.J., 1984.


Weblinks

Einzelnachweise

Siehe auch



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(Stand 30. März 2009)